Im Interview erklärt der BVCS Vizepräsident Dr. rer. pol. Axel Minten, warum der Verband Wert auf eine solide wissenschaftliche Grundlage im Bereich Coworking-Forschung legt.
Redaktion: Herr Dr. Minten, zu den Zielen des Bundesverbandes zählen auch Forschung und Entwicklung. Was weiß man über die Coworking-Landschaft in Deutschland?
Minten: Das Thema Coworking war bis vor kurzem noch weitestgehend unerforscht. Jedoch nehmen die Forschungsaktivitäten stetig zu und liefern neue Erkenntnisse, die sich wie ein Puzzle langsam zusammensetzen. Angefangen von Bachelor- und Masterarbeiten über Forschungen des Fraunhofer IAO bis hin zu aktuellen Erhebungen zum Bedarf nach Coworking kommen immer mehr neue Erkenntnisse hinzu. Es gibt viele Facetten des Coworkings, die momentan wissenschaftlich erforscht werden.
R: Warum ist eine wissenschaftliche Begleitung so wichtig?
M: Als Hochschullehrer für Kommunikation und Personalwesen beschäftige ich mich seit vielen Jahren mit dem Phänomen New Work. Solch ein Begriff wird auf so vielfältige Weise interpretiert und verstanden, dass nur eine solide wissenschaftliche Auseinandersetzung zum Thema helfen kann, aktuelle Ereignisse zu verstehen und dann auch zum Wohle der Arbeitswelt zu nutzen. Und Coworking ist in vielen Interpretationen auch eine Form des neuen Arbeitens.
R: Können sie das genauer erklären?
M: Für manche ist New Work einfach nur gleichbedeutend mit Digitalisierung, andere führen den Begriff auf Frithjof Bergmann zurück. Stephan A. Jansen sieht in dem New Work-Verständnis mancher gar „religiös anmutende Erlösungsrhetoriken„. Nehmen wir die Digitalisierung – sie ist nur eine der vielen disruptiven Veränderungen und Megatrends in der Arbeitswelt. Die Arbeitswelt verändert sich tiefgreifend auch bei den Themen Führung, Flexibilität, Diversität und auch Märkte und Kunden verändern sich. Bezogen auf das Thema Coworking bedeutet dies, dass wir diese Form der Zusammenarbeit stetig tiefgreifender erforschen, analysieren und verstehen müssen.
R: Haben sie da ein spezifisches Beispiel?
M: Wenn sie Arbeitnehmer fragen, ob sie auch gerne remote – also unterwegs oder an dritten Orten wie Coworking-Spaces – arbeiten möchten, werden sie hohe Zustimmungswerte erhalten. Nur wenige Befragte haben etwas gegen Flexibilität und Freiheit. Daraus dann simple Erkenntnisse für die Arbeit der Zukunft abzuleiten, könnte jedoch gefährlich sein. Konkret könnte man Coworking Spaces eröffnen, in dem tiefen Glauben, dass die Coworker einem die Bude einrennen und das Gegenteil könnte eintreffen. Es gilt genau zu erfassen, wer aus welchen Gründen wo und mit welcher Ausstattung konkret den Bedarf für einen Remote-Arbeitsplatz hat und auch die Bereitschaft der Arbeitgeber zur Unterstützung von Coworking zu erfassen.
R: Gibt es da schon konkrete Erhebungen?
M: Wir haben im Rahmen der BVCS Forschung zum Beispiel standardisierte Analyse-Verfahren zum Thema Coworking entwickelt; sowohl für die Ermittlung akuter Bedarfe als auch zur Potenzialermittlung und -analyse. Diese ermöglichen sowohl Längsschnitt- als auch Querschnittanalysen, von denen sich dann valide Erkenntnisse über den aktuellen Stand der gesamten Branche, aber auch zum Bedarf an Coworking zur immer besser werdenden Ausstattung und Gestaltung von Coworking Spaces ableiten lassen.
R: Wieso engagieren sie sich im BVCS und wie sehen sie ihre Rolle im Verband?
M: Zunächst bin ich sowohl als Hochschuldozent als auch als Trainer ein leidenschaftlicher Coworker. Darüber hinaus teile ich die Ziele des Verbandes nach Forschung und Entwicklung sowie auch der politischen Interessenvertretung im Bereich Coworking. Dann bin ich eben auch leidenschaftlich Wissenschaftler und kann meine Kompetenzen in den Bereichen Forschung und Entwicklung einbringen. In den Bereichen New Work, Coworking und Arbeitswissenschaften gibt es noch viel zu erkunden. Dazu möchte ich einen aktiven Beitrag leisten.
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