Der Bundesverband Coworking-Spaces Deutschland (BVCS) vernetzt und unterstützt Coworking Spaces und vertritt sie in Politik und Öffentlichkeit. Im Interview erklärt der BVCS Präsident Tobias Kollewe, welche Strategie der Bundesverband dabei verfolgt.
Mit dem BVCS soll die Coworking-Branche gestärkt und besser vernetzt werden. Der Ansatz dahinter ist eine stärkere Professionalisierung. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt Tobias Kollewe die Vision des BVCS.
Redaktion: Herr Kollewe, mit dem BVCS existiert nun erstmals ein Branchenverband in Deutschland, der die vielfältigen Akteure einer noch relativ neuen Branche vernetzt. Wen spricht der BVCS mit seinen Angeboten an?
Kollewe: Wir richten uns in erster Linie an Betreiber von Coworking Spaces (auch Gründer), Kommunale Einrichtungen, die Wissenschaft und die öffentliche Hand und letztlich alle, die sich im weiten Feld des Coworkings, hybrider Flächenangebote und multifunktionaler Begegnungsräume engagieren. Unser Anspruch ist es dabei nicht nur, unsere Mitglieder in der öffentlichen und politischen Diskussion zu vertreten, sondern insbesondere mit einem vielfältigen Angebot zu unterstützen, um sie operativ erfolgreicher, nachhaltiger und fit für die Zukunft zu machen – das aber im Einklang mit den klassischen Coworking-Werten. Wir richten uns ganz bewusst auch an kleinere Anbieter im ländlichen Raum, in Mittel- und Grundzentren; sowohl in privater als auch in kommunaler Trägerschaft. Hier besteht ein enormer Bedarf.
R: Der BVCS gründet sich in einer der größten Wirtschaftskrisen, die es in Deutschland je gab. Warum gerade unter dem Einfluss von Covid-19?
K: Wir haben in vielen Gesprächen in den letzten Wochen gemerkt, dass die Coworking-Branche auf wackeligen Füßen steht. Viele Spaces haben zu kämpfen, weil die Flexiblität von Leistung, die eigentlich ein großer Vorteil für die Nutzer darstellt, sich heute als Achillesferse vieler Anbieter herausstellt. Viele Betreiber wenden sich an Branchen-Kollegen, um Unterstützung zu erhalten, die sie natürlich auch bekommen, aber oft nur punktuell. Wir sehen gerade jetzt einen großen Bedarf an einem professionalierten Beratungs- und Netzwerk-Angebot.
R: … das Sie mit der von Ihnen gegründeten cowork AG auch bereits anbieten.
K: Ja, das ist richtig. Aber das Angebot des BVCS geht natürlich viel weiter. Wir konnten mit Dr. Axel Minten einen sehr erfahrenen wissenschaftlichen Leiter gewinnen, der das Thema Coworking-Forschung weiter vorantreibt. Schon jetzt stellen wir seitens des Bundesverbandes ein vielfältiges Beratungs- und Fortbildungsangebot auf die Beine, das es bisher in dieser Form in Deutschland noch nicht gegeben hat. Dazu zählen zum Beispiel Angebote im Bereich Marketing, Existenzgründung und Public Relations oder auch unsere regionalen Stammtische, die insbesondere dem Erfahrungsaustausch dienen. Unsere Angebote stammen dabei immer von erfahrenen Branchenexperten, die allesamt Mitglieder des BVCS sind und ihr Wissen gerne weitergeben.
R: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der Coworking-Branche in Deutschland?
K: Wir stehen an einem Scheideweg. Der Begriff „Coworking“ war bisher eher kulturell und ideologisch geprägt. Das ist natürlich nicht falsch, geht aber nicht weit genug. Coworking ist auch ein Geschäftsmodell. Das zeigt schon das enorme Branchenwachstum. Vor zwei Jahren haben wir knapp über 300 Anbieter in Deutschland gezählt. Stand heute, im Mai 2020, zählen wir 1.258 Anbieter. Das ist eine Vervierfachung innerhalb von rund 24 Monaten. Und ich gehe davon aus, dass sich dieser Trend verstärkt fortsetzen wird. Corona hat durch den Zwang zum Home-Office dazu beigetragen, dass sich Unternehmen und Wissensarbeiter verstärkt mit dem Thema „Remote Work“ auseinander setzen müssen. Alle Betroffenen sehen jetzt, dass es ja doch geht, dass Produktivität nicht mit Anwesenheit im Büro gleichzusetzen ist. Das und die verstärkte Wahrnehmung ökologischer Nachhaltigkeit, Stichwort Pendeln, geben dem Thema Coworking nochmal einen deutlichen Schub. Die Branche wächst und entwickelt sich rasend schnell weiter.
R: Und welche Ziele haben Sie sich mit dem Bundesverband Coworking Spaces gesetzt?
K: Wir sind ein Verband von Mitgliedern für Mitglieder. Wir haben den BVCS im Nachgang einer Coworking-Netzwerkveranstaltung gegründet, auf der wir die vielfältigen Nachfragen nach Unterstützung und einer besseren Vernetzung direkt aufgenommen und auch umgesetzt haben. Diese Angebote für unsere Mitglieder werden wir mit unserem Verbands-Team stetig ausbauen, zum Beispiel mit Fach- und Themengruppen, die für unsere Mitglieder agieren und gemeinsam mit ihnen die Zukunft des Coworkings gestalten. Dabei wollen wir vor allem eines: weniger reden, mehr handeln!